
Kuchen essen und Gutes tun
11. April 2025
Im Rausch der Zeit – Schulmusical
7. Mai 2025Am 4. April erwartete unsere Schülerinnen und Schüler der 11. und 12. Jahrgangsstufe ein besonderer Höhepunkt: Die 1959 in Warschau geborene Journalistin, Übersetzerin, Lektorin und Autorin Olga Mannheimer besuchte unsere Schule zusammen mit Daniela Bernstein, Nermina Regenfuß und Franz Kafka vom Freundeskreis des Lehrstuhls für jüdische Geschichte und Kultur der LMU. Frau Mannheimer berichtete äußerst kurzweilig von ihrem Schwiegervater Max und beleuchtete die Frage der Erinnerungskultur sowie die aktuelle gesellschaftspolitische Lage. Dabei kam sie mit unseren Schülerinnen und Schülern, die sich auf den Besuch gründlich vorbereitet und sich viele Fragen überlegt hatten, intensiv ins Gespräch.
Wir danken Frau Mannheimer und dem jüdischen Freundeskreis ganz herzlich für ihren Besuch und hoffen, dass wir sie bald wieder einmal an unserer Schule begrüßen dürfen.
(Nicole Storz)
Beinahe ein Torero
von Olga Mannheimer
Das Gute an Max: Er lacht gerne. Eine Kleinigkeit genügt, um ihn zu erheitern. Er kommt uns besuchen, sieht unsere Katze vor der Haustür und ruft: „Fanny, komm, Mischpoche ist da!“ Die Katze läuft ins Gebüsch. „Was rede ich von Mischpoche – da rennt jeder davon“, sagt Max und lacht, während er uns umarmt. „Kennt ihr den Fluch, ‚Reich sollst du werden, als Einziger aus der ganzen Mischpoche?‘“ Es gibt kein Thema, zu dem ihm nicht eine Geschichte oder ein Witz einfiele. Max erzählt gut und mit Vergnügen und – mehr noch: Er hört mit Vergnügen zu, wenn jemand einen Witz erzählt. Er sagt nicht, dass er eine bessere Fassung kennt. Er lacht, und irgendwann erzählt er den Witz selbst – in einer besseren Fassung. Und wenn uns (auch das kommt vor) ein Witz nicht gefällt, hebt er die Hände und erklärt: „Der ist aber nicht von mir!“
Beim Mittagessen reden alle gleichzeitig darüber, dass bei uns alle gleichzeitig reden. Sogar die Katze kommt angelaufen und miaut. Wenn sie könnte, würde sie mitreden. „Kennt ihr die Geschichte mit dem sprechenden Hund?“, fragt Max. „Also: ein Mann sieht eine Anzeige ‚Sprechender Hund, billig abzugeben‘. Trotz seiner Zweifel geht er zu der angegebenen Adresse und staunt: Vor dem Haus kommt ihm ein Hund entgegen und tatsächlich – er redet! Er stellt sich vor und erzählt, wie er die menschliche Sprache gelernt hat. Er habe sogar für den Geheimdienst gearbeitet: Gespräche von Verdächtigen unauffällig mitgehört und darüber berichtet. Der Mann ist überwältigt – er will den Hund unbedingt haben. Für 20 Dollar gehört er Ihnen, sagt der Besitzer. Der Mann kann es kaum fassen: ein sprechender Hund – so günstig? Wie kann das sein? Ach, seufzt der Besitzer, ich sage es Ihnen lieber gleich: Der Hund lügt. Neulich brüstete er sich damit, er habe für den Geheimdienst gearbeitet. Das ist reine Erfindung.“
Max lacht gerne über die Überraschungen und die Ungereimtheiten des Lebens; und er hat Talent darin, auch dem Ernst des Lebens Amüsantes abzugewinnen. Er scherzt über das Alter, über die Hoffnung, den Tod zu überlisten, und am liebsten über sich selbst. So auch an seinem 90. Geburtstag. Was kann man einem neunzigjährigen Schwiegervater schenken? Ich fragte, ob er eine Heizdecke gebrauchen könne. Er stutzte kurz, dann rief er: „Eine Heizdecke! Wunderbar. Das ist eine tolle Idee! Ich komme bestimmt darauf zurück – wenn ich einmal alt bin“. Bei der anschließenden Feier hat Christian Ude ihn mit Zeus verglichen – so stelle er sich den Gott der alten Griechen vor. Der Vergleich sei sehr schmeichelhaft, bedankte sich Max, aber eine Ähnlichkeit mit Gary Cooper wäre ihm lieber.
Max hat Freude am Leben. Und er hat Freude an Menschen. Einmal wartete ich auf ihn in der Notaufnahme des Schwabinger Krankenhauses an einem Sonntagabend. Ich saß zwischen schweigenden Menschen in einem neonbeleuchteten Flur. Wir starrten auf die Wand oder auf den Boden, die Ungeduldigsten auf die vergilbte Tür des Untersuchungsraums. Max hatte noch geparkt und kam nach. Er grüßte in die Runde, machte einen Scherz über seinen Zustand, erkundigte sich bei den Wartenden nach ihrem Befinden, erklärte, ich sei seine Lieblingsschwiegertochter (er hat nur eine), erzählte von seiner Spanienreise: „Hätte Isabella von Kastilien meine Vorfahren nicht aus Cordoba hinausgebeten, wäre aus mir wahrscheinlich ein Torero geworden…“ Etwas später tauchte auf dem Flur ein Mann auf, der eine bandagierte Fingerkuppe vorsichtig in die Höhe hielt. „Wegen so was kommen Sie am Sonntag ins Krankenhaus?“, rief Max ihm entgegen und stellte ihm dann die anderen Patienten vor. Die Leute erzählten, woher sie kommen, womit sie sich beschäftigen, wo sie schon gewesen sind. Eine Frau holte für alle Kaffee vom Getränkeautomaten. Der Krankenhausflur war zu einem Salon geworden, in den man wie selbstverständlich miteinander plauderte.
Im Krankenhaus, auf der Post, in der S-Bahn – wo immer er ist, kommt Max mit Menschen ins Gespräch und tauscht Lebensgeschichten aus. Er erinnert sich an diese Gespräche und berichtet uns davon in allen noch so banalen Einzelheiten. Für ihn ist an einer Lebensgeschichte nichts banal, weil er in jedem Leben etwas Verbindendes oder Erstaunliches entdeckt. Vielleicht bringt er eines Tages sogar einen Hund zum Reden.